Wie
kommt man mit über 30 zum Reiten?
In
unserem Fall war Mareike, unsere schwerstbehinderte
Tochter, der Auslöser.
Im
Spätsommer 2001 fiel uns ein Flyer des Vereins
"Unsere besonderen Kinder" in die Hände.
In diesem wurde zu einer Infoveranstaltung zum Thema
Therapeutisches Reiten eingeladen.
Die
Veranstaltung fand an einem Samstag auf dem Reiterhof
von Karin Bardenbacher statt.
Es wurde ein theoretischer Überblick von Karin
Bardenbacher gegeben und eine Einladung zu einer Probetherapiestunde
ausgesprochen.
Eine
Woche später fuhren Mareike, meine Frau und ich
wieder nach Hergetsfeld und nahmen an der Probestunde
teil. Mareike war damals noch nicht in der Lage aufrecht
auf dem Therapiepferd Sam zu sitzen, so dass wir an
beiden Seiten des Pferdes mitliefen, um Mareike am
Herunterfallen zu hindern.
Mareike
zeigte uns damals sehr deutlich, dass ihr das Reiten
Spaß macht und so entschlossen wir uns, von
nun an einmal wöchentlich mit ihr zur Therapie
zu fahren.
Nach
ein paar Monaten kam meine Frau Elli auf den
Gedanken, sich doch auch mal auf Sam zu setzen,
um selbst zu fühlen, wie Mareike das Reiten
wohl empfindet. Sie hat zwar als Kind mal voltigiert
aber im Laufe der Jahre immer mehr Respekt vor
den großen Pferden bekommen.
Und
das war's. Im Januar 2002 nahm Elli bei Minus
13° C an einem Anfängerkurs bei Karin
teil. Jetzt hatte ich es schon mit zwei Reitern
zu tun und machte den entscheidenden Fehler
zu sagen: "Ich könnte es ja auch mal
probieren."
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Prompt
bekam ich von Elli einen Wochenendkurs für Anfänger
geschenkt und war anschließend ebenfalls vom
Reitvirus befallen.
Das
Reiten ermöglichte mir seit langem das erste
Mal, meinen beruflichen Stress abzulegen und völlig
entspannt nach Hause zu fahren, ohne den Job im Kopf
zu haben.
Mareike
machte im Laufe der Jahre ihre Fortschritte: vom aufrechten
Sitzen über leichte Voltigierübungen bis
zum Traben. Laut Krankengymnastin hat das therapeutische
Reiten stark dazu beigetragen, dass Mareike heute
in der Lage ist, an der Hand zu laufen und mit Hilfe
einer Leiter selbständig auf Sam aufsteigen kann.
Elli
und ich nahmen nun auch regelmäßig Reitunterricht
und verbrachten in den Sommermonaten mit Mareike zusammen
viele schöne Stunden auf dem Reiterhof.
Als
2005 Elli´s Reitstundenpony Apanatschi - das
ideale Pferd für Elli - verkauft werden sollte,
konnte sie dies nicht hinnehmen. So kauften wir Apanatschi.
Mareike
machte mit der Zeit immer weiter Fortschritte, so
dass es ihr bei den normalen Übungen schon langweilig
wurde. Wir entwickelten daraufhin in Zusammenarbeit
mit Karin immer neue Übungen, z. B. Zahlenkarten
aus aufgehängten Eimern entnehmen und diese in
den passenden Eimer mit Punktkarten zu legen.
Da
Mareike auch gehörlos ist, konnten wir dies auch
gut zur Übung der Gebärdensprache einsetzen,
indem sie die Zahlen gebärden musste. Diese Übung
haben wir dann auch auf Farben erweitert.
Elli
und ich haben neben den Reitstunden in den Sommerferien
auch an einigen Sonderkursen teilgenommen und so nach
und nach die Prüfungen zur Reiternadel, zum Basispass,
zum Reitabzeichen und den Longierpass abgelegt.
2008
kam ich zu dem Entschluss, mir auch ein eigenes Pferd
anzuschaffen. So ist im November Lorenzo zu unserer
reitverrückten Familie gekommen.
Jetzt
bestimmt die Reiterei fast unseren gesamten Wochenrhythmus
und ich denke, dass uns dieser Virus wohl nie wieder
loslassen wird. Ganz aktuell sind wir mit Mareike
vor kurzem vom Voltigiergurt auf den Sattel umgestiegen
- wieder ein großer Schritt nach vorne.
Frank Mergard
Großropperhausen, im Februar 2009
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